Warum die Apple Watch Ultra aus der Reihe tanzt
Mit der coolen neuen Apple Watch Ultra hat Apple einen Nerv getroffen. Mehr noch: Nur einen Tag nach der Keynote liegen die Lieferzeiten mancher Ultra-Versionen schon im November, so hoch ist die Nachfrage. Das Design ist aber auch eine echte Überraschung und bricht mit alten Apple Watch-Standards. Auf mich etwa wirkt die Watch ein wenig wie die Mischung aus einer Nautilus und G-Shock – und etwas Omega Seamaster. Man könnte fast fragen, ob es sich noch immer um ein echtes Apple-Produkt handelt? So wirkt es schon wie ein Sakrileg, dass die Action-Taste nicht nur deutlich hervorgehoben ist, sondern sogar mit leuchtendem Orange markiert ist.
Man muss die Ultra allerdings unter zwei Aspekten sehen: Natürlich bietet sie tolle Technik, welche die Uhr zu einer erstklassigen Sport-Uhr machen (was wir noch testen werden). Die neue Ultra ist mit Sicherheit eine vollwertige Sportuhr und Apple hebt in seiner Werbung fast schon etwas zu eindringlich hervor, wie toll sich die App für Gerätetauchen, Marathon und Alpin-Sport eignet. Hier hatte die alte Apple Watch wirklich Defizite, etwa bei der Akkulaufzeit und Robustheit.
Man sollte sich aber nicht täuschen lassen: Die meisten Nutzer werden Apples neue Premium-Apple-Watch nicht auf dem Annapurna, sondern im Büro oder beim Oktoberfest tragen. Ich habe sogar den Verdacht, für Apple ist vielleicht der Extremsportler nicht die eigentliche Zielgruppe, sondern die zahlungskräftigen Fans einer Tool-Watch. Es handelt sich nämlich bei der Ultra um eine komplett neue Art von Apple Watch.
Dress- und Tool-Watches
Im Grunde gibt es zwei Kategorien von Uhren: Dress-Watches und Tool-Watches. Bisher waren die Apple-Uhren eigentlich sogenannte Dress-Watches: Gepflegte und schlichte Uhren, die der Stilbewusste zu seinem Anzug tragen kann. Bei einer Apple Watch dieser Art ist das Frontglas der Uhr deshalb auch sanft gerundet, Elemente wie die Krone, Mikrofon und Lautsprecher sind nur unmerklich hervorgehoben. Dadurch wirkt diese Watch elegant und „wie aus einem Guß“. Das Konzept passt gut zu Apple, für manche Uhren-Fans ist die Apple Watch aber einfach zu langweilig.
Neben den Dress-Watches gibt es nämlich die riesige und teure Kategorie der Tool-Watches. Das sind Taucher- und Fliegeruhren wie die Rolex Submariner, Omega Speedmaster und Nautilus von Patek. Hier steht „Funktionalität“ im Vordergrund und ihre Hersteller zelebrieren mit riesigen Geldsummen einen Bezug zu Sport und Abenteuer – obwohl auch diese Uhren fast immer im Alltag getragen werden und nur selten bei Mondexpeditionen. Und bei einer Tool-Watch gibt es Form-Vorgaben: Sie hat groß zu sein, riesige Bedienelemente gehören zum Muss („damit man die Uhr mit Handschuhen bedienen kann“) und der Bezug zum Abenteuer ist äußerst wichtig. Nebenbei gibt es hier sogar schon seit Jahren Modelle mit integriertem Notrufsystem, etwa die Breitling Emergency.
Die Formensprache der neuen Ultra übernimmt deshalb vielleicht nicht nur aus funktionalen Gründen Elemente dieser Sportuhren. Dazu gehören die riesige Krone einer Taucheruhr und das mächtige Bullaugen-Gehäuse der Nautilus. Erstmals ist bei einer Apple Watch das neue Frontglas völlig eben und kantig und sowohl der neue Action-Button als auch die Krone sind mit oranger Signalfarbe sind so deutlich markiert, dass man die Ultra schon von Weitem erkennen wird.
Auch die Mikrofone und der Lautsprecher sind im Gehäuse deutlich erkennbar. Das Titangehäuse hebt sich vom glattpolierten Gehäuse der originalen Apple Watch stark ab und macht einen robusten, metallischen Eindruck – wie ein teures, aber solides Gebrauchsgerät. Die neue Ultra ist so zwar brachialer als die Apple Watch 8, nach meiner Meinung ist sie aber noch immer ein echtes Apple-Produkt – aber eben Apples Interpretation einer Tool-Watch.
Die neue Ultra wird nicht jedem gefallen, das Design ist weniger „glatt“ als das der Apple Watch 8 und durchaus macho. Nach meiner Meinung wird die neue Ultra trotz hohem Euro-Preis aber ein Renner werden und könnte erstmals auch die Omega- und Rolex-Fans überzeugen. Eigentlich ist es da fast schon zweitrangig, ob sie auch bei Sportlern und Sportlerinnen zum Erfolg werden wird.
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